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Film

Scheitern. Fallen. Wiederaufstehen: „Colossal“ von Nacho Vigalondo

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Eine junge New-Yorkerin hat keinen Job und macht unentwegt Party. Ihr Partner ist davon genervt und wirft sie raus. Jetzt heißt es: Packen und zurück nach Hause.

Rezension

CL 3Dort betritt Gloria (Anne Harhaway) das verlassene Haus ihrer Eltern. Darin gibt es nichts, aber zumindest kann man an einem Punkt, ein offenes WLAN mitnutzen. Gloria schießt sich weiter ab, als ob ihre neue Lebenssituation nicht reichen würde, um ganz unten angekommen zu sein. Durch Zufall trifft sie ihren ehemaligen Mitschüler Oscar (Jason Sudeikis) wieder, dem nun eine große Bar in der Stadt gehört. Er lädt Gloria ein, mit dorthin zukommen und ein bisschen über die alten Zeiten zu plaudern. Der freundliche und zuvorkommende Mann ist sichtlich interessiert an Gloria, das machen spätestens die Aussagen seiner Freunde Joel (Austin Stowell) und Garth (Tim Blake Nelson) klar, die wohl bestenfalls als Kneipenhocker zu beschreiben sind. Joel wirkt jedoch auf Gloria anziehend, was Oscar nicht gefällt. Nach der durchzechten Nacht schleppt sich Gloria zurück nach Hause. Fast komatös verpasst sie die größte Nachricht seit langem: In Seoul taucht ein riesiges Monster auf, dass durch die Straßen und Gebäude marodiert. Bereits das Filmplakat verrät, dass Gloria und die monströse Kreatur verbunden sind.

Das wie, warum und wodurch findet man am besten selbst raus. Colossal beginnt als eine humoristisch angelegte Inszenierung. Einige Momente von Situationskomik sind exzellent gelungen. Dadurch konterkariert der Film den eigentlichen Inhalt des Lebens einer gescheiterten jungen Frau. Doch dieses tragische Element wird den Film begleiten. Mal tritt es mehr in den Vordergrund, mal weniger. Als ob der Regisseur und Drehbuchautor Nacho Vigalondo uns klarmachen möchte, das Schönes nur dort erblühen kann, wo es auch Hässliches gibt. Je weiter die Geschichte sich entfaltet, desto weniger Raum ist für das Schöne. Gloria beginnt endlich damit Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, da wird alles um sie herum zu einem Problem. Besonders die Position der Figur zwischen drei unterschiedlichen Männern macht die Situation kompliziert. Als dann noch ein zweiter Koloss auftaucht, der nichts anderes im Sinn hat, als Seoul zu zerstören – warum auch immer – muss Gloria Entscheidungen fällen.

CL 2

Colossal ist einzigartig. Es gibt keinen Film wie diesen. Noch nie sind die Figurenkonstellationen und der damit verbundene Konflikt in einer solchen Art erzählt worden. Dabei ist das Werk eine emotionale Achterbahnfahrt, die zwischen Tragik und Frohsinn hin und her pendelt. Es scheint, dass ein Mensch nicht alle Probleme zur selben Zeit lösen kann, so endet Colossal zwar kathartisch, jedoch mit einem augenzwinkernden Ende.

CL 1Nacho Vigalondo ist nun wohl endgültig als internationaler Regisseur etabliert. Nach seinem experimentellen Open Window ist dies nun der nächste Langfilm, den der Spanier inszeniert. Die Filme sind derart unterschiedlich, dass angenommen werden könnte, die Werke seien von unterschiedlichen Regisseuren. Nach vielen ernsten Filmen und Ausflügen ins Horrorgenre hat er nun eine Tragikomödie geschaffen, die in ihrer Art auffallend ist – wenn man so will das Erkennungsmerkmal seiner Filme. Mit verkorksten Figuren, zu denen anfangs leicht Sympathien und Antipathien aufgebaut werden können, ist Colossal eine einmalige Geschichte, die so verrückt ist, dass man sich fragen muss, wie man darauf kommen mag.

Wieder einmal hat Nacho Vigalondo einen besonderen Film geschaffen, dieser ist in seiner Bildsprache klassisch gehalten, jedoch in der Vermittlung der Geschichte etwas wirklich Neues. Colossal ist ein Geheimtipp und ein Film der sicher nicht jedem gefallen wird, vielleicht auch, weil man sich darin selbst finden kann, was ihn aber so gut macht.

Trailer Colossal

Infokasten

„Colossal“

Regie: Nacho Vigalondo

Drehbuch: Nacho Vigalondo

Laufzeit: 109 Minuten

Produzent: Zev Foreman, Nahikari Ipiña, Russell Levine

Verleih: Universum Film

Kanada | USA | Spanien 2016

Letzte Änderung amMittwoch, 13 September 2017 11:11
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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„Phantastische Literatur: ungenauer, auch missverständlicher Sammelbegriff für ein breites, auch Triviales [...] umfassendes Spektrum von Literatur. Das Phantastische erscheint in der fiktionalen oder imaginativen Literatur als vielschichtiges Phänomen.“

–  Literatur Brockhaus

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