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„Humanoid – Der letze Kampf der Menschheit“ zeigt eine Reihe vertaner Chancen

Filmausschnitt Ascot Elite Filmausschnitt

Der neue Film von „Sundance“-Gewinner Joey Curtis bietet viele gute Ideen, verschenkt sein Potential jedoch.

Im Jahr 2307 ist die Erde vereist. Die Postapokalypse nach einem nuklearen Fallout bestimmt die Tagesordnung der Menschen, die sich weitgehend von der Oberfläche zurückgezogen haben. Letzte menschliche Kolonien existieren unter der Erdoberfläche, nur wenige verlassen die sicheren Orte, denn das Risiko eines klimabedingten Todes ist groß. In den Enklaven mutet das – zunächst aus dem Off kommentierte – Leben an wie eine frustrierende Zukunftsvision, deren Gesellschaft nur noch von Alkohol, Drogen, Partys und Sexualisierung zusammengehalten wird. Jeder verbirgt sein eigenes Schicksal, eingemauert hinter den Wänden der Unterhaltung. Künstlich geschaffene Menschen mit schwarzem Blut in ihren Adern sollten für die Menschen als Sklaven die Arbeiten erledigen. Durch genetische Manipulationen sind diese „Noid“ genannten Wesen gegen die Kälte an der Erdoberfläche resistent und können sich nicht biologisch fortpflanzen. Die Unterwerfung gelingt zunächst ohne Einschränkungen, doch dann erhebt sich unter den Noid ASH-393 (Branden Coles) und beginnt eine Rebellion, die alles verändern soll. Dabei stirbt auch Sara (Stormi Henley), die Frau des Protagonisten Bishop (Paul Sidhu). Jahre später wird Bishop auf die Mission geschickt, ASH-393 zu vernichten.

Humanoid 3Bis zu diesem Moment wirkt das Gezeigte wie eine authentische postapokalyptische Welt, in der die Menschen sich in futuristischen Clubs der eigenen Sorgen zu entledigen versuchen. Zu diesem Zeitpunkt erinnert Humanoid an den Sci-Fi-Klassiker Blade Runner und die Endzeitreihe Mad Max. Dass die Narration während der Eröffnung des Films ausschließlich aus dem Off stattfindet, ist nicht zeitgemäß, aber aufgrund des geringen Budgets zu verschmerzen. Allerdings wechselt die Erzählung immer wieder in die interne Gedankenwelt des Protagonisten, was nach einiger Zeit monoton wirkt. Wirklich relevante Dialoge finden hingegen kaum statt, die meisten Figuren bleiben blass. Der drogensüchtige Bishop stellt sich nach der Exposition als ein ranghoher Elitesoldat heraus, der ein Team anführt, das Jagd auf kriminelle Noids macht. Das multikulturelle Team aus Kämpfern ist mit Klischees überladen, aber daran muss man sich nicht stören, denn für den Film reicht dies aus.

Humanoid 2Einziger Ausbrecher neben Bishop ist Kix (Arielle Holmes), die Hitler für einen unterschätzten Philosophen hält und in dessen Hassschrift Mein Kampf glaubt, die Erleuchtung zum Umgang mit den unreinen Menschen zu finden. In dem Film werden einige Passagen aus dem Buch direkt zitiert, zumindest wird es als solches inszeniert, was nicht unproblematisch ist. Insgesamt besitzt Humanoid eine sehr deutliche Botschaft gegen Rassismus, daher ist es mutig, Versatzstückeeiner vergangenen Ideologie mit einem Konflikt innerhalb eines Sci-Fi-Szenarios zu verweben. Zwischen Bishop und Kix entsteht ein Konflikt, der auch den Handlungsrahmen reflektiert. Das ist wirklich gelungen und macht das Werk sehenswert.

Humanoid 4

Allerdings gibt es in Humanoid viele Ungereimtheiten. Die Handlung stolpert mehr, als dass sie fließt, dadurch erscheinen weite Teil des Films als zusammenhanglose Sequenzen. Leider ist es nicht gelungen, dem Film einen einheitlichen Drive zu geben, weder in Schnittrythmus noch in dramaturgischer Entfaltung des Stoffes. Die Inszenierung der Welt ist zu Beginn sehr stimmungsvoll, verliert sich dann über weite Teile des Werkes in der Bedeutungslosigkeit von verschneiten Landschaften, in denen leider keine nennenswerten Spuren der untergegangenen Kultur als Mittel der Thematik erscheinen. Während der Reise entwickelt sich Humanoid zu einem Survival-Stoff, der das Potential gehabt hätte, an Genregrößen wie Essential Killing heranzureichen. Aber auch das gelingt nicht, zu vieles wiederspricht der inneren Logik der Erzählwelt und den darin geschaffenen Bedingungen.

Zusammenhanglose Sequenzen. Plotholes. Unlogische Charakterentwicklungen. Wenn aus Feinden innerhalb von Sekunden Verbündete werden und umgekehrt, dann muss dies logisch und emotional nachvollziehbar sein. Diese Kritikpunkte lassen sich nicht wegdiskutieren und zerstören die Basis für den guten Ansatz des Werkes. Am Ende bleibt von der guten Idee nur eine wichtige Botschaft in einem Film, der viel Potential verschenkt.

 Trailer Humanoid – Der letzte Kampf der Menschheit

Infokasten

„Humanoid – Der Letze Kampf der Menschheit“ (OT: „2307: Winter’s Dream“)

Regie: Joey Curtis

Drehbuch: Joey Curtis

Produzent: Ultramedia

Laufzeit: 102 Minuten

Verleih: Ascot Elite

USA 2016

Ab 19.05.2017 im Handel auf DVD und Blu-ray-Disc.

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 22:50
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

– Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

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