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Film

Verfilmung einer wahren Tragödie: „Lucia – Engel des Todes?“

Filmstill (Ausschnitt) edel: motion Filmstill (Ausschnitt)

Dieser Film thematisiert die tragischen Entwicklungen um die Krankenschwester Lucia de Berk, die für den Mord an mehreren Kindern und alten Menschen verurteilt wurde, trotz unschuld.

Lucia 2Das Leben schreibt schon einige Geschichten, im Volksmund heißt es gar „Das Leben schreibt die besten Geschichten“. Lucia – Engel des Todes? ist die emotionale Verfilmung des Schicksals von Lucia de Berk, einer niederländischen Krankenschwester, die unschuldig für mehrere Morde an Kindern und alten Menschen verurteilt wurde. Gesellschaftlich ausgestoßen, mit dem Rücken zur Wand, von Medien und Menschen vorverurteilt, findet sich Lucia de Berk wieder. Dieser exzellente Film greift die wahre Geschichte von Lucia de Berk auf und inszeniert dabei mit viel Fingerspitzengefühl. Auch wenn die wirkliche Geschichte und vor allem der Ausgang des Falls bekannt sein sollten, schafft dieser Film eine empathische Spannung aufzubauen, welche das Leid und die Missgunst der fälschlich Verurteilten spiegeln. Lucia – Engel des Todes? startete vor ca. zwei Jahren in den niederländischen Kinos und ist nun als Direct-to-DVD in Deutschland erschienen.

Lucia de Berk (Ariane Schluter) ist eine Einzelgängerin. Sie ist engagiert, fleißig und sehr penibel bei ihrer Arbeit. Bei ihren Kolleginnen ist sie allerdings nicht sehr beliebt. Es wird viel über die Frau und ihre bewegte Vergangenheit als Prostituierte getuschelt. Lucia steht jedoch über alledem, bis dann ein Kind stirbt, in ihrer Schicht. Das ist jedoch nicht das erste Mal, dass so etwas passiert, während Lucia Patienten betreut, und schon ist ein Anfangsverdacht geboren. Die Krankenhausleitung erstattet Anzeige gegen Lucia, die Kolleginnen aus der Schwesternschaft sagen alle gegen sie aus, doch Beweise gibt es nicht. Die Medien beginnen Lucia mit Schlamm zu bewerfen und die Indizien wirken erdrückend. Lucia wird festgenommen, vor Gericht gezerrt und verurteilt. Kaum jemand steht zu ihr, die wenigsten glauben ihr, und so zeichnet sich ein Weg in den Abgrund.

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Lucia 3Besonders die Schauspielerinnen stechen in dem Ensemble hervor. Die Protagonistin steht in einem dauerhaften Konflikt mit der durch die Staatsanwaltschaft repräsentierten Gegenseite. Dort ist es Annet Malherbe als Ernestine Johansson, die alles tut, um Lucia de Berk auf Ewig ins Gefängnis zu bringen. Die bekannte Darstellerin spielt eine kaltblütige Staatsanwältin, die auf der Suche nach eigenem Erfolg die Frage nach Recht und Richtigkeit aus den Augen verliert. Obwohl sich Ernestine Johansson und Lucia de Berk nur selten in einer Szene direkt begegnen, stellen die beiden Figuren die emotionalen Tangenten des Films dar. Durch das große Feingefühl der Regisseurin im Umgang mit dem Stoff gelingt es, nicht mit dem Finger auf eine Person zu zeigen oder jemanden zu denunzieren. Vielmehr ist es so, dass alle Figuren nachvollziehbare Emotionen besitzen und ihre Motive tiefgründiger sind, als man es in einem Film erwarten müsste. Was in Deutschland auf 90 Minuten TV-Film-Länge gezwängt worden wäre, nimmt sich hier mehr Zeit für Details. Dadurch ist die Charakterisierung der Figuren sehr gut gelungen und hebt diesen Film aus der Masse heraus.

Lucia wird komplett vorverurteilt und dadurch medial zur Schlachtbank geführt. Im Verlauf der Handlung vergehen mehr als sechs Jahre, in denen sich auch die Form der gesellschaftlichen Wahrnehmung des mutmaßlichen Todesengels Lucia verändert. Auf dieser Ebene schafft der Film eine kritische Reflexion der Medienlandschaft und verdeutlicht, wie labil die Meinungen einiger Menschen und in der Folge ganzer Menschenmassen sind. Auch in dieser Hinsicht ist Lucia – Engel des Todes? ein erfrischend unbequemer Film, der dennoch ein hohes Maß an anspruchsvoller Unterhaltung liefert.

Trailer zu Lucia – Engel des Todes

Infokasten

„Lucia – Engel des Todes“ (OT: „Lucia de B.“, IT: „Accused”)

Regie: Paula van der Oest

Drehbuch: Moniek Kramer, Tijs van Marle

Produktion: Rinkel Film, Nederlandse Christelijke Radio-Vereniging (NCRV), Living Stone, Filmkreatörerna Prah och Björk, Lucil Film

Verleih: Edel Media & Entertainment

Laufzeit: 97 Minuten (uncut)

Niederlande, Schweden | 2014

Veröffentlichung: Ab dem 29.01.2016 im Handel erhältlich auf DVD, Blu-ray-Disc und als Video-on-Demand.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amDonnerstag, 07 November 2019 16:53
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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„Der Traum ist ein zweites Leben. Ich habe nie ohne zu schaudern durch die Elfenbein- oder Horntore dringen können, die uns von der unsichtbaren Welt scheiden. Die ersten Augenblicke des Schlafes sind das Bild des Todes. Eine nebelhafte Erstarrung ergreift unsern Gedanken, und wir können den genauen Augenblick nicht feststellen, wo das Ich in einer andern Form die Tätigkeit des Daseins fortsetzt. Ein ungewisses unterirdisches Gewölbe erhellt sich allmählich und aus dem Schatten der Nacht lösen sich in ernster Unbeweglichkeit die bleichen Figuren, welche den Vorhof der Ewigkeit bewohnen. Dann nimmt das Bild Form an, eine neue Helligkeit erleuchtet diese Erscheinungen in wunderlichem Spiel: - es öffnet sich uns die Welt der Geister.“

– Gérard de Nerval in „Aurelia oder Der Traum und das Leben

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