log in

Film

„The Limehouse Golem“ – Ästhetisch erzählte Jagd auf einen Serienkiller

Filmplakat (Ausschnitt) Filmplakat (Ausschnitt)

The Limehouse Golem ist ein erzählerisch komplexer Crime Thriller im viktorianischen London.

Rezension

Weder gibt es einen Trailer noch Pressebilder oder auch nur ein Kinoplakat. Über The Limehouse Golem ist bisher wenig bekannt, zumindest für ein breites Publikum, da Lionsgate die Rechte an dem Film hält und diesen bis Herbst zurückgezogen hat. Die Verfilmung von Peter Ackroyds Roman Dan Leno and The Limehouse Golem startet in den deutschen Kinos daher erst Ende August. Dennoch war dieser gelungene Genremix aus Slasher, Krimi und Thriller mit einer, wenn man so will, feministischen Botschaft vergangenes Wochenende auf dem Fantasy Filmfest zu sehen und ist es dieses Wochenende wieder. Das ist offenbar die absolute Ausnahme. Wer also in den 1880ern Englands eine spannende, erzählerisch durchkomponierte Mordermittlung sehen will, die versucht einen Serienkiller à la Jack the Ripper dingfest zu machen, sollte diese einmalige Chance ergreifen und das Fantasy Filmfest besuchen.

Man sollte allerdings keine staubige Krimiunterhaltung mit Tee und Monokel erwarten. Stattdessen erweckt Juan Carlos Medina mit pompöser Ausstattung und viel Atmosphäre die dreckigen Straßen Londons und das zwielichtige Milieu der Unterhaltungskünstler eines längst vergangenen viktorianischen Zeitalters zu neuem Leben. Mitten hinein in diese historische Darstellung des Londoner Limehouse-Distrikts streut Medina blutspritzende Mordsequenzen, die einem Giallo alle Ehre gemacht hätten (Was ist eigentlich ein Giallo?). In der Tat geht der Serienkiller, den die Menschen bald ‚Den Golem‘ nennen, nicht gerade zimperlich zu Werke, im Gegenteil: die grotesken Morde scheinen in ihrer makabren Ausgestaltung sogar eine Botschaft vermitteln zu wollen.

The Limehouse Golem fokussiert in seiner Erzählung die Figuren des ermittelnden Kommissars Kildaire (Bill Nighy) und der begabten Schauspielerin Elizabeth (Olivia Cooke). Als Zeugin könnte sie eine Schlüsselposition in der Überführung des Serienkillers einnehmen. Allerdings ist die junge Frau selbst in eine Mordanklage verstrickt. Um herauszufinden, was sie weiß und um ihre Unschuld zu beweisen, rekonstruiert Kildaire im Gespräch mit Elizabeth die Ereignisse, die zu ihrer Verhaftung geführt haben, beginnend mit ihren frühsten Kindeserfahrungen. Derart entwickelt der Film in Rückblenden die Geschichte einer Frau, die aufgrund ihrer Weiblichkeit unzählige Schmähungen erfahren hat, und illustriert ihre Flucht in das ungebundene Schaustellerleben, das den Sonderlingen der damaligen Gesellschaft eine Nische zum Überleben sicherte. Wo es erlaubt war, dass Frauen in Männerkleidern und Männer in Frauenkleidern auftreten, wenn auch bloß zur Belustigung des bürgerlichen Publikums. Wo die Gemeinschaft der Schausteller zusammensteht, aber auch die Ruhmsucht und der Neid regieren.

The Limehouse Golem ist großes Kino, ein investigativer und erzählerisch komplexer Film mit großartigen Figuren und Wendungen. Der Film variiert nicht nur das Motiv des identitätslosen Serienkillers, der die viktorianische Gesellschaft heimsucht wie ein Jack the Ripper, sondern weiß es auch gekonnt in Szene zu setzen.

Infokasten

„The Limehouse Golem“

Regie: Juan Carlos Medina

Drehbuch: Jane Goldman, Peter Ackroyd (Buchvorlage)

Laufzeit: 105 Minuten

Produzent: Elizabeth Karlsen u.a.

Verleih: Concorde Filmverleih

Großbritannien | 2016

Letzte Änderung amFreitag, 29 September 2017 14:44
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Phantastik, auch Fantastik, ist ein literarischer Genrebegriff, der in Fachkreisen sehr unterschiedlich definiert wird. Außerwissenschaftlich bezeichnet der Begriff „fantastisch“ alles, was unglaublich, versponnen, wunderbar oder großartig ist. Der Ursprung des Begriffs „phantastische Literatur“ ist ein Übersetzungsfehler: E. T. A. Hoffmanns „Fantasiestücke in Callots Manier“ wurden 1814 als „Contes fantastiques“ ins Französische übersetzt, statt richtigerweise als „Contes de la fantaisie“.“

– Wikipedia

Cookie-Einstellungen